Kann die evolutionäre Spieltheorie die Entstehung von Kooperation erklären?
Studie über die Schwächen eines formalen Ansatzes

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Die Theorie der „Evolution der Kooperation“
    2.1 Was die Theorie der „Evolution der Kooperation“ zu erklären beansprucht
    2.2 Die Gestalt der Erklärungen der Theorie der „Evolution der Kooperation“
        2.2.1 Axelrod's Theorie der Evolution der Kooperation
        2.2.2 Schüßler über Kooperation unter Egoisten
        2.2.3 Hirschjagdspiel statt Gefangenendilemma
        2.2.4 Kooperation und Reputation
    2.3 Ein erfolgreicherer Typus von Theorie zum Vergleich: Die Logik des kollektiven Handelns
3 Die Erklärungsdefizite der Theorie der „Evolution der Kooperation“
4 Fazit
5 Anhang: Quellcodes und Beispielsimulationen
6 Revisionsgeschichte
Literaturverzeichnis

2.2.4 Kooperation und Reputation

Selbstverständlich gibt es noch eine Reihe weiterer Varianten und Abwandlungen von Axelrods Ansatz. Eine sehr wichtige Variante betrifft beispielweise Ansätze, die den Faktor Reputation in das Kooperationsmodell integrieren (Abell/Reyniers 2000). Repuatation ermöglicht es, „boni“ für geleistete Kooperation anzusammeln und später oder gegenüber anderen Partnern wieder ins Spiel zu bringen. Dadurch wird die Kooperation von der engen zeitlichen Folge der Spielwiederholungen und auch von der strikten Bindung an paarweise Interaktionen entkoppelt. Bildlich ausgedrückt könnte man auch sagen, dass Reputation das Münzgeld der Kooperation ist, denn der Unterschied zwischen Kooperation ohne Reputation und Koopertion mit Reputation entspricht ein wenig dem zwischen einem Tauschhandel und einer echten Geldwirtschaft. Möglicherweise ist auch gerade die Reputation einer der Faktoren, die dafür Verantwortlich sind, dass sich Kooperation in hohem Maße ein typisch menschliches Phänomen ist.

Leider ist es nicht möglich, alle diese Varianten hier ausführlich zu besprechen, auch wenn dadurch die Gefahr entsteht, dass möglicherweise Varianten übergangen worden sind, auf die die Kritik, die später an der Theorie der „Evolution der Kooperation“ geübt wird, eventuell nicht zutrifft, so dass auch das insgesamt ablehnende Fazit dieser Abhandlung gegenüber der Theorie der „Evolution der Kooperation“ nicht gerechtfertigt wäre. (Oder, mit anderen Worten: Die Kritik, die hier an der Theorie der „Evolution der Kooperation“ geübt wird, kann natürlich jederzeigt eingeschränkt oder sogar widerlegt werden, durch eine Variante der Theorie, die nicht mit denselben Mängeln behaftet ist, oder die in überzeugender Weise ein echtes empirisches Problem löst, von der Sorte, wie sie weiter untern besprochen werden.)

Auch wenn dies erst später im Detail ausgeführt wird, so sei hier schon einmal summarisch vorweggenommen, weshalb die Theorie der „Evolution der Kooperation“ eine schlechte Theorie ist:

  1. Die Modelle, auf die sich die Theorie stützt sind nicht robust (d.h. Veränderungen der Paramter im Rahmen der Messgenauigkeit führen zu qualitativ unterschiedlichen Ergebnissen) und damit nicht empirisch anwendbar.
     
  2. Dem Ansatz mangelt eine klare Fragestellung im Sinne einer deutlichen Vorstellung davon, welche Probleme damit wie gelöst werden sollen. (Axelrod, Schüßler und Skyrms liefern die Beispiele für diesen Vorwurf.)
     
  3. Die Modellforschung hat sich gegenüber der empirischen Anwendung (besonders in realen, nicht bloß experimentellen) Situationen zu stark verselbstständigt.

Um nun nicht das Missverständnis aufkommen zu lassen, dass es sich bei diesen Einwänden bloß um die üblichen Ressentiments gegen mathematische Methoden in den Sozialwissenschaften handelt (die insbesondere in der Sozialstatistik in der Tat sehr wichtig sind), soll im folgenden eine Theorie vorgestellt und gepriesen werden, die sich ebenfalls weitläufig mit einer Art von Kooperationsproblemen beschäftigt, die diese Fehler aber vermeidet.

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