Kann die evolutionäre Spieltheorie die Entstehung von Kooperation erklären?
Studie über die Schwächen eines formalen Ansatzes

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Die Theorie der „Evolution der Kooperation“
3 Die Erklärungsdefizite der Theorie der „Evolution der Kooperation“
4 Fazit
5 Anhang: Quellcodes und Beispielsimulationen
6 Revisionsgeschichte
Literaturverzeichnis

4 Fazit

Die Diskussion der Theorie der „Evolution der Kooperation“ und die im Vorigen ausführlich diskutiereten Beispiele für das Scheitern der Theorie der „Evolution der Kooperation“ legen den Schluss nahe, dass es sich dabei um einen wenig fruchtbaren theoretischen Ansatz handelt. Dieses sehr kritische Fazit ist natürlich mit der Einschränkung zu versehen, dass aus wenigen ausgewählten Einzelbeispielen allein ein so umfassenden Urteil natürlich noch nicht abgeleitet werden kann. Andere Beispiele mögen günstiger für diesen Ansatz ausfallen. Andererseits können die gewählten Beispiele durchaus paradigmatisch verstanden werden. Dieselben fundamentalen Probleme, wie sie etwa bei dem Versuch der Anwendung der Theorie der „Evolution der Kooperation“ auf den Grabenkrieg im ersten Weltkrieg entstehen, dürften in ganz ähnlicher Weise auch bei anderen historischen Fragestellungen zu erwarten sein, die man mit der Theorie der „Evolution der Kooperation“ untersuchen möchte. Nicht viel anders scheint es sich, folgt man Hammersteins Kritik (Hammerstein 2003a), auch in der Biologie zu verhalten. Hier ist Aussicht auf Erfolg für formale Ansätze zwar größer als in der historischen Soziologie, aber das Beispiel der Untersuchungen des Verhaltens „Räuberbeschauung“ bei Stichlingen (Milinski/Parker 1997) zeigt, dass sich die aus der Empirie entwickelten formalen Beschreibungen sehr deutlich von dem rein theoretischen Modell des wiederholten Gefangenendilemmas unterscheiden. Die Fülle von Computersimulationen zu diesem Thema hat sich hier für die Empirie offenbar nicht im mindesten als hilfreich erwiesen. Wenn die Entwicklung dieser Computersimulationen überhaupt einen Wert hatten, dann bestenfalls den, dass auf diese Weise eine Technologie erarbeitet worden ist, die, wenn sie - was bisher kaum geschehen ist - am Leitfaden der Empirie eingesetzt wird, zumindest in der Biologie vielleicht nocht einmal nützlich werden könnte. Bisher scheint das aber noch kaum der Fall zu sein.

Angesichts der in den Beispielen dargelegten notorischen Erklärungsschwäche dieses Ansatzes stellt sich allerdings die Frage woher der überraschende Modeerfolg dieser Art von Theorie rührt. Der Grund dafür könnte möglicherweise in gewissen Auswüchsen der gegenwärtigen Wissenschaftskultur liegen, die zu einer maßlosen Überschätzung der Bedeutung formaler Methoden geführt haben, so als ob „formal“ immer besser wäre und als wenn der Einsatz von Mathematik und Computern höchste Wissenschaftlichkeit ganz von selbst garantiere. Demgegenüber ist jedoch zu betonen, dass der Einsatz formaler Modelle nur dann lohnenswert sind, wenn diese Modelle sinnvoll in einen Erklärungskontext eingebungen sind, so dass die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind:

  1. Wirklichkeitsadäquatheit: Alle kausal relevanten Faktoren müssen im Modell berücksichtigt werden können.
     
  2. Robustheit: Innerhalb der Meßungenauigkeiten muss das Modell stabile Ergebnisse liefern.

Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, dann können formale Modelle höchstens einen veranschaulichenden aber keinen erklärenden Wert für sich beanspruchen. Dann steht der technische Aufwand für diese Modelle oft in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu ihrem wissenschaftlichen Nutzen.

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