Die Humanismuskritik Arnold Gehlens in seinem Spätwerk "Moral und Hypermoral"

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Die philosophische Entwicklung Arnold Gehlens
3 Gehlens Humanismuskritik in „Moral und Hypermoral“
4 Gehlens Programm der pluralistischen Ethik und der Vorwurf der Moralhypertrophie
5 Gegenentwurf: Hierarchische Ethik und Humanität als Primärtugend
6 Schluß
Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In dieser Arbeit soll die Kritik, die Arnold Gehlen in seinem Werk „Moral und Hypermoral“[1] am Humanismus übt, dargestellt und kritisch durchleuchtet werden. Gehlens Kritik am Humanismus zielt vor allem auf dessen ethische Seite, wenn er auch die andere Seite des Humanismus, das humane Ideal als Ziel der Selbsterziehung, als übermäßige menschliche Selbstbezogenheit ebenfalls ablehnt.[2] Deshalb konzentriert sich diese Arbeit auf die Erörterung der ethischen Fragen, zumal die Diskussion eines Ideals andere Methoden und Fragestellungen erfordern würde als die Klärung ethischer Streitfragen.

In einem gewissen Rahmen ist es dabei notwendig, unmittelbar auf einige Fragen der Ethik einzugehen. Hierbei weicht diese Arbeit von den „Vorgaben“ Gehlens ab: Während Gehlen in seinem Werk die Fragen der Ethik vornehmlich auf einer metatheoretischen Ebene behandelt, werden in dieser Arbeit die ethischen Fragen unmittelbar angegangen, d.h. im Vordergrund steht (beispielsweise) die Frage „Was ist Gerechtigkeit?“ und nicht „Wie entsteht der Begriff der Gerechtigkeit?“. Diese Herangehensweise wird zu Beginn des kritischen Teils dieser Arbeit (Kapitel 3.2) gerechtfertigt. Ihr liegt die Vorstellung zu Grunde, daß es nicht die Aufgabe der Philosophie ist, ihre Zeit in Gedanken zu fassen oder ihre eigene Geschichte zu reflektieren, sondern daß sie die Antworten auf ganz bestimmte Fragen suchen soll („Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was ist der Sinn des Lebens?“ etc.). Zur Beantwortung dieser Fragen braucht die Philosophie ihre eigene Geschichte nicht zu kennen; höchstens kann eine Kenntnis der im Laufe der Geschichte zu diesen Fragen gegebenen Antworten hilfreich sein. Deshalb liegt in dieser Arbeit der Akzent auch nicht auf der historischen Erarbeitung des Ursprungs und der Herkunft von Gehlens Gedanken sondern auf der Behandlung der ethischen Sachprobleme, die Gehlens „ethischer Pluralismus“ aufwirft. Dies spiegelt sich auch in der Verwendung der Sekundärliteratur wieder. Wenig Gebrauch wurde von Sekundärliteratur gemacht, die lediglich den Inhalt von Gehlens Philosophie darstellt oder die geistesgeschichtliche Position von Gehlens Philosophie aufhellt. Statt dessen wurde häufiger auf Werke zurückgegriffen, die sich den einzelnen Sachbereichen widmen, die von Gehlens Ausführungen miterfaßt sind.

Die Arbeit ist so aufgebaut, daß nach einer kurzen Skizze der Grundpositionen von Gehlens Philosophie zunächst Gehlens kritische Einwände gegen die humanistische Ethik zusammenhängend dargestellt werden. Darauf folgt eine eingehende Kritik der einzelnen Argumente Gehlens. Ausgehend von dieser Kritik wird Gehlens Ansatz einer pluralistischen Ethik grundsätzlich in Frage gestellt. Da die reine Kritik niemals ganz überzeugend bleibt, sofern nicht auch positive Möglichkeiten aufgezeigt werden, wird zum Abschluß der Arbeit umrißhaft eine humanistische Ethik konstruiert, die die Einwände Gehlens gegen den Humanismus berücksichtigt, soweit diese berechtigt sind.

[1] Arnold Gehlen: Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik, Wiesbaden, 5.Aufl., 1986, im folgenden zitiert als Gehlen: Hypermoral.

[2] Späterer Zusatz (6.2.2006): Die Behauptung, dass Gehlen sich gegen die „humanistische“ Ethik wendet ist mißverständlich, da Gehlen selbst wörtlich nur vom „Humanitarismus“ und nicht vom „Humanismus“ spricht. Zwar greift Gehlen in seinem Werk eindeutig die Prinzipen einer humanistischen Ethik in dem weiter unten von mir definierten Sinn an. Trotzdem ist es zumindest ungenau ihn als Kritiker des „Humanismus“ darzustellen, wie ich es in diser Arbeit getan habe. (Neben einem aufmerksamen Leser hatte mich auch mein Dozent Günther Seubold damals auf diesen Fehler hingewiesen.) Die Gültigkeit meiner Argumente gegen Gehlens Standpunkt bleibt von dieser terminologischen Ungenauigkeit abgsehen aber unberührt.

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